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Das Problem mit dem Mann mit dem Goldhelm

„Ein romanischer Kruzifix war von vornherein ebenso wenig eine Skulptur wie Duccios Madonna ein Bild. Selbst die Pallas Athene des Phidias war zunächst keine Statue. […] Zunächst war mit den Mitteln der bildenden Kunst ein heiliges Universum gestaltet worden, später jahrhundertelang vor allem eines der Phantasie oder Verklärung.
In diesem Verwandlungsprozeß, der Träume zu gemalten Bildern, Götter zu Statuen werden ließ, musste dem Museum eine wichtige Rolle zukommen. Diese Verwandlung ins Bild geht bis zum Portrait. […] Was geht es uns an, wer der Mann mit dem Goldhelm oder der Mann mit dem Handschuh war? Sie heißen Rembrandt und Tizian. Ein Portrait ist nicht mehr in erster Linie Abbild eines bestimmten Menschen. Bis zum 19. Jahrhundert war jedes Kunstwerk, ehe es als solches gewertet wurde – ja, um überhaupt als solches gewertet zu werden, zunächst Abbild von etwas Existierendem oder Nichtexistierendem. Reine Malerei war die Malerei allein für das Auge des Künstlers […]. Das Museum löschte nahezu allen Porträts (selbst wo sie ein Geträumtes darstellten) fast alles Modellmäßige; seinen Kunstwerken entriß es damit ihre eigentliche Funktion. Für das Museum gab es kein Palladium mehr, keinen Heiligen, keinen Christus;“
– André Malraux: Das Imaginäre Museum (1947)

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Noch bis 1986 hätte jeder Kunsthistoriker seine Hand ins Feuer dafür gelegt, dass der Mann mit dem Goldhelm »ein Rembrandt« ist. Dann ergaben naturwissenschaftliche Untersuchungen, dass das Werk zwar in der gleichen Zeit entstanden, aber weder von Rembrandt selbst gemalt noch als Auftragsarbeit in seiner Werkstatt produziert worden war, sondern von einem anderen Künstler bewusst als »ein Rembrandt« gestaltet worden war. Es ist die Simulation eines Rembrandts, in welcher der (anonyme) Maler hinter seinem eigenen Werk zurücktritt. Der Maler transformiert gewissermaßen selbst die Funktion des Kunstwerks – hier die Abbildung eines Portraitierten – und verwandelt es nicht einfach in „reine Malerei“, sondern dreht die Spirale noch eine Stufe höher: in die künstliche Reproduktion reiner Malerei. Wie modern, und das um 1650/55! Der Mann mit dem Goldhelm ist Rembrandt, er ist die Idee Rembrandt und damit besser als Rembrandt. Welch ein Schelm unser anonymer Künstler! Und welch ein Schock! – Ein Schock, den man seitdem als »Rembrandt Umkreis« lakonisch gekennzeichnet wie gewohnt in der Berliner Gemäldegalerie (mit noch größerer Bewunderung) betrachten kann.